Leben ohne Geheimnis. Roman (1932)
Wie auch in anderen Texten greift Vicki Baum in Leben ohne Geheimnis neue Moden und ganz aktuelle Themen auf und verarbeitet sie in literarischer Form. Im vorliegenden Roman befasst sie sich mit Diskursen, die zu Beginn der 1930er Jahre in der Umbruchsphase vom Stummfilm zum Tonfilm virulent sind: der Film als neues Massenprodukt, die Anfänge der ‚Celebrity Culture‘, die Selbstvermarktung der Stars mit der Ausschlachtung des Privatlebens für PR-Zwecke, die Kulturindustrie mit ihrer Fankultur. Sie stellt Hollywood – das sie selbst kennenlernte, als sie an der Verfilmung ihres Romans Menschen im Hotel mitwirkte – als Sehnsuchtstopos dar, in welchem ihre Figuren in unterschiedlichen Stadien der Desillusionierung agieren.
Leben ohne Geheimnis ist die Geschichte des englischen Stars Oliver Dent und seiner Freundin Donca Morescu, die im Stummfilm Karriere gemacht hat und als rumänische Emigrantin Schwierigkeiten hat, im Tonfilm Fuß zu fassen. Mit ihrer Geschichte ist jene von Olivers Double Richard Aldensleben – der, aus dem deutschen Bildungsbürgertum kommend, ständig zwischen der Hoffnung auf den großen Durchbruch und Heimweh nach Deutschland schwankt – und der amerikanischen Statistin Francis Warrens verschränkt, die ein Schönheitswettbewerb aus der Provinz nach Hollywood gebracht hat. Als Oliver erkrankt, muss sich Donka Morescu zwischen Liebe und Karriere entscheiden; Aldensleben sieht seine Chance, Olivers Rolle zu übernehmen, gekommen, und Francis, die den Plot, Olivers Erkrankung vor der Morescu geheim zu halten, auffliegen lässt, wird auf Hollywoods schwarze Liste gesetzt und sieht keinen Ausweg mehr außer Prostitution.
Baum zeigt, dass finanzielle und sexuelle Ausbeutung schon um 1930 in der Filmbranche allgegenwärtig war, sie konfrontiert ihre Figuren mit der kapitalistischen Profitgier der Filmproduktionsfirmen und führt mit filmaffinen Erzählmitteln vor, wie sich die Figuren im Spiel von Schein und Wirklichkeit verhalten, als Emigrant*innen alte Identitäten verlieren und neue ausbilden.
Laura Tezarek
