Publikationsgeschichte
Publikationsgeschichte
Vicki Baums 1942 nach ausführlichen Recherchen, Quellenstudien und ausgedehnter Lektüre entstandener und im Spätherbst 1943 im Verlag Doubleday auf Englisch publizierter Roman (vgl. die Einleitung im Roman; außerdem Koepke 1989, 1421f.) weist, das bestätigt auch ihr US-amerikanischer Verleger Nelson Doubleday, eine nahezu muttersprachliche Qualität auf (vgl. zudem Ziegfeld 1981, 147). Später wird Doubleday The Weeping Wood gar noch attestieren, dass es sich dabei um Baums bestes Buch handle (vgl. Loster-Schneider 2002, 265, Anm. 1). Baum selbst hat in einem Brief aus dem Jahre 1948 ihren Roman ebenfalls als das ihr wichtigste und liebste Buch bezeichnet (vgl. Loster-Schneider 2002, 268 und Anm. 11).
Die Korrekturarbeiten am Text haben sich noch bis Ende März 1943 hingezogen, wie Briefe von Lektor*innen und Korrektor*innen, die Baum um kritische Lektüre gebeten hatte, belegen, etwa ein Brief vom 16.3.1943 von Raymundo Magalhães, der Vorschläge für kleinere Korrekturen bezüglich der in Brasilien spielenden Szenen gemacht hat, oder der Brief von Meredith Sparks, der Frau des Chemikers William J. Sparks, vom 26.3.1943, die rund 80 Korrekturvorschläge für die beiden Kapitel „Washington Minutes“ („Washingtoner Protokolle“, Kapitel 13) und „American Mural“ („Amerikanisches Wandbild“, Kapitel 14) unterbreitet hat. Wie aus einem Brief des Verlegers vom 28.7.1943 hervorgeht, ist der Text unmittelbar danach in die Druckerei gegangen (vgl. insgesamt dazu: VBP, Box 1, Folder 8). Erhalten geblieben sind im US-amerikanischen Nachlass Baums in Albany noch ein vierseitiges (undatiertes) Konspekt der Autorin unter dem Titel Some notes concerning „The Weeping Tree“, das u. a. Hinweise an den Verleger für mögliche Korrekturen vor der Drucklegung enthält, sowie ein zweieinhalbseitiger Werbetext des Verlags, datiert auf den 3.5.1943, der mit der „Keynote“ beginnt: „Vicki Baum’s greatest novel – the story of rubber, the ‚weeping wood‘ of the Brazilian jungle that changed the world’s history, told through the lives of the people whose destinies it shaped; – a magnificient novel which has the whole world for its background, and characters from many nations and epochs.“ (VBP, Box 1, Folder 7)
Die amerikanische Originalfassung enthält am Ende der Einführung noch Literaturhinweise, Dank an verschiedene Persönlichkeiten und Institutionen sowie eine Bemerkung (Baum 1943, IX), die in den ersten beiden deutschen Übersetzungen von 1945 und 1952 nicht enthalten war.
Die im Bermann-Fischer Verlag in Stockholm 1945 unter dem Titel Kautschuk. Roman in fünfzehn Erzählungen publizierte deutsche Erstausgabe stammt wohl von dem im Impressum nicht genannten Buchgestalter und Übersetzer Justinian Frisch (vgl. Kremmel 2023, 191f.). Sie erschien Baum nach dem Krieg bei neuerlicher Durchsicht ihres Textes, der unter dem (sicherlich besseren und zutreffenderen) Titel Kautschuk herausgegeben worden war, allerdings nicht mehr angemessen. Die Arbeiten an der Neuausgabe unter anderem Titel sind im Unterschied zur ersten deutschen Übersetzung, wozu keine Unterlagen aufzufinden waren, gut dokumentiert. Ihrem Verleger J. C. Witsch, der die Schriftstellerin durch die Vermittlung des Querido-Verlegers Fritz H. Landshoff als Hausautorin gewinnen konnte (vgl. Möller 2014, 16), schrieb sie diesbezüglich und bereits im Hinblick auf einen neuen Übersetzer, den Jugendbuchautor Fritz Zielesch, der zusammen mit seiner Frau Li Baums Roman Marion Alive (1942) neu bearbeitet hatte, am 6.11.1951:
Ich bin grade dran, mein Buch ‚The Weeping Wood‘ etwas zu streichen und zu redigieren, da manche Dinge darin zu detailliert wissenschaftlich waren und, besonders in der Chemie, inzwischen ueberholt sind, anderes wieder zu eng mit amerikanischer Innenpolitik verbunden, um drueben verstanden zu werden. Aber ich muss Sie sehr herzlich und dringend bitten, Fritz Zielesch das Buch zur Revision und mehr oder weniger Neu-Uebersetzung zu geben – und zwar schick ich das englische Original, denn eine Revision aus dem schludrigen deutschen Text hat keinen Zweck. Und bitte, bitte, einen besseren Titel als das gesichtslose „Kautschuk“ das man noch ausserdem immer mit dem hollaendischen Buch „Gummi“ (hab den Namen der Verfasserin [d. i. Madelon Székely-Lulofs] vergessen) verwechseln wuerde. Richtig waere: ‚Das Tränenholz‘. Ja? Ist das moeglich? (HAStK-RBA, Best. 1514, A 5)
Witsch antwortet darauf am 4.12.1951:
Das revidierte Exemplar von „Kautschuk“ ist heute angekommen und wir haben es sofort an Fritz Zielesch weitergegeben mit einem Exemplar der Fischer-Uebersetzung. Hoffentlich ist die Überarbeitung der Uebersetzung bis Ende Dezember abgeschlossen, damit wir dann Anfang Januar das Buch sofort in Druck geben können. Wegen des Titels habe ich auch schon an Dr. Guggenheim geschrieben. „Tränenholz“ ist ein schlechter deutscher Titel. Was halten Sie von dem Doppeltitel: „Cahuchu, der weinende Baum“? Man kann natürlich auch auf den Vorsatz verzichten und sagt nur „Der weinende Baum“ oder „Der blutende Baum“. (HAStK-RBA, Best. 1514, A 5)
In einem Brief Baums an Kiepenheuer & Witsch, datiert auf den 6.3.1952, einem Brief, der auch poetologisch und ästhetisch aufschlussreich ist, bittet sie ihren Verleger allerdings darum, ihrem Übersetzer genügend Zeit einzuräumen, denn es sei „ein sehr schweres Übersetzungsproblem“ (HAStK-RBA, Best. 1514, A 8). Im weiteren Verlauf dieses Briefes unterstreicht sie jene Position, die sie auch wiederholt in ihrer Autobiografie im Blick auf ihr eigenes Selbstverständnis äußert, dass es nämlich ihr Ehrgeiz sei, „so einfach und unprätenziös zu schreiben wie möglich“, schließlich, dass sie bei ihrem Schreiben die Unterscheidung mache, entweder für sich selbst oder aber den Markt zu schreiben. Am 7.3.1952 macht Witsch auf Hinweise von Zielesch der Autorin den Vorschlag, „die Diagramme in ‚Kautschuk‘ zu ändern und sie fortzuführen bis in die jüngste Zeit“ (HAStK-RBA, Best. 1514, A 8), was Baum jedoch mit der Begründung ablehnt, dass ihre Bücher historisch festgelegt seien:
Aber das Buch endet eben in 1942, und der letzte Satz ist: Es ist erst der Anfang. Seitdem ist es, wie immer ganz anders gekommen, in der Welt sowohl wie im Kautschuk. Deshalb glaube ich, dass es netter und ehrlicher waere, meine Buecher damit zu lancieren, dass sie in Deutschland erst jetzt publiciert werden koennen, obwohl sie in der uebrigen Welt schon seit Jahren gelesen werden – oder so aehnlich, nein? (HAStK-RBA, Best. 1514, A 8)
Im Antwortbrief vom 15.3. folgt Witsch Baums Vorschlag und berichtet weiter von den Problemen mit dem Untertitel, für den Zielesch, wie Witsch schreibt, „mit guten Gründen“ „Das weinende Holz“ vorgeschlagen habe (HAStK-RBA, Best. 1514, A 8).
Baum greift im Brief vom 29.3. das Titelproblem wieder auf und schreibt: „Ja, der verflixte Titel fuer das Kautschukbuch! Das weinende Holz gefaellt mir nicht sehr, ich stimme Ihnen bei, es hat einen stumpfen Klang. Vielleicht kaeme man der Sache bei, wenn man nicht ein Adjektiv verwendet, sondern so was wie: Die Waelder weinen, oder Traenen des Djungels oder etwas mit Blut […].“ (HAStK-RBA, Best. 1514, A 8)
Danach scheint es rasch gegangen zu sein mit der Herstellung und Auslieferung des Romans im Herbst 1952 unter dem Titel Cahuchu. Strom der Tränen. Schon in einem Brief vom 3.12.1952 berichtet Witsch an Baum von sehr erfreulichen ersten Kritiken des Buches, die er seinem Brief beigefügt habe (vgl. HAStK-RBA, Best. 1514, A 8).
Lizenzausgaben des Romans erschienen 1965 in München bei Droemer Knaur, sowie ab 1972 bei Heyne; Buchclubausgaben kamen bei der Deutschen Buchgemeinschaft, dem Bertelsmann Lesering, der Neuen Schweizer Bibliothek und der österreichischen Buchgemeinschaft Donauland heraus. 1969 war der Roman Teil der Sonderausgabe im Rahmen der Reihe „Die Bücher der Neunzehn“, einem Gemeinschaftsprojekt von 19 deutschen Verlagen, die eine Auswahl literarischer und (populär)wissenschaftlicher Bücher preisgünstig in schöner Ausstattung präsentierte.
Zu Lebzeiten der Autorin ist der Roman u. a. ins Schwedische, Portugiesische, Niederländische, Ungarische, Italienische, Spanische, Französische, Serbokroatische und Rumänische übersetzt worden (vgl. die nicht immer ganz genaue Auflistung bei Nottelmann 2002, 367f.).
Werner Jung
Siglen
- AdK - Akademie der Künste, Berlin, Vicki-Baum-Archiv
- HAStK-RBA - Historisches Archiv der Stadt Köln, Kiepenheuer & Witsch-Nachlass
- VBP - Vicki Baum Papers, 1929–1959. M. E. Grenander Special Collections & Archives, University of Albany, State University of New York
Literatur
- Baum 1943 - Vicki Baum: The Weeping Wood. New York 1943.
- Koepke 1989 - Wulf Koepke: Exilautoren und ihre amerikanischen Verleger in New York. In: Deutschsprachige Exilliteratur seit 1933. Bd. 2: New York. Hg. v. John M. Spalek und Joseph Strelka. Bern 1989, 1418–1445.
- Kremmel 2023 - Stefanie Kremmel: Justinian Frisch. In: Österreichische Übersetzerinnen und Übersetzer im Exil. Hg. v. ders. u. a. Berlin 2023, 171–196.
- Loster-Schneider 2002 - Gudrun Loster-Schneider: Exotisches, Vergangenes, Anderes? Nationalkulturelle Differenzerfahrungen in Vicki Baums Roman Kautschuk (1943/1945). In: Erfahrung nach dem Krieg. Autorinnen im Literaturbetrieb 1945–1950. BRD, DDR, Österreich, Schweiz. Hg. v. Christiane Caemmerer u. a. Frankfurt/Main u. a. 2002, 265–286.
- Möller 2014 - Frank Möller: Das Buch Witsch. Das schwindelerregende Leben des Verlegers Joseph Caspar Witsch. Köln 2014.
- Nottelmann 2002 - Nicole Nottelmann: Strategien des Erfolgs. Narratologische Analysen exemplarischer Romane Vicki Baums. Würzburg 2002.
- Ziegfeld 1981 - Richard E. Ziegfeld: The Exile Writer and His Publisher: Vicky Baum and Doubleday. In: Deutsche Exilliteratur. Literatur der Nachkriegszeit. Akten des III. Exilliteratur-Symposiums der University of South Carolina. Hg. v. Wolfgang Elfe u. a. Bern 1981, 144–153.

